Warum Tipps nicht reichen – traumasensibel leben im Alltag
- Marei Theunert
- 11. Sept.
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 11. Sept.

Wenn Tipps an ihre Grenzen stoßen
„Mach doch mal Yoga.“
„Atme tief durch.“
„Nimm dir eine Auszeit.“
Vielleicht hast du solche Sätze schon hundertmal gehört. Vielleicht sagst du sie dir sogar selbst. Und vielleicht kennst du dann genau das: Es hilft für einen Moment – und doch bleibt die Anspannung, die Erschöpfung, die innere Unruhe.
Viele meiner Klientinnen berichten davon, dass sie alles „richtig“ machen – und sich trotzdem nicht besser fühlen. Warum? Weil Tipps oft nur an der Oberfläche wirken. Was in uns geschieht, spielt sich viel tiefer ab: im Nervensystem.
Dein Nervensystem – der heimliche Regisseur
Um zu verstehen, warum Tipps oft verpuffen, lohnt ein Blick auf das, was in unserem Körper geschieht. Unser Nervensystem ist wie ein heimlicher Regisseur: Es bestimmt, ob wir entspannt, gestresst oder erstarrt sind.
Die Polyvagaltheorie beschreibt drei Grundzustände:
Verbunden & sicher (ventraler Vagus) – wir fühlen uns ruhig, präsent, im Kontakt.
Alarmiert & aktiv (Sympathikus) – Herz klopft schneller, Muskeln spannen sich an, wir wollen fliehen oder kämpfen.
Abgeschaltet & taub (dorsaler Vagus) – wir ziehen uns zurück, fühlen uns leer oder wie eingefroren.
Diese Zustände wechseln nicht durch Willenskraft oder Tipps, sondern durch körperliche Signale von Sicherheit oder Bedrohung.
Ein Beispiel aus dem Alltag
Stell dir vor, du kommst nach einem langen Arbeitstag gestresst nach Hause. Auf dem Weg holst du noch die Kinder ab. Kaum seid ihr drin, beginnt ein Geschrei um Spielsachen, Hunger, Hausaufgaben.
Dein Kopf sagt dir: „Ich müsste jetzt ruhig bleiben.“ Vielleicht erinnerst du dich an einen Tipp wie „tief durchatmen“. Doch dein Körper ist längst im Sympathikus-Modus: Herzrasen, Anspannung, Gereiztheit. Kein Tipp der Welt kann das einfach wegzaubern.
Hier zeigt sich: Tipps stoßen an ihre Grenzen, wenn das Nervensystem im Alarm ist.
Warum traumasensibel leben anders ist
Traumasensibel leben bedeutet, den Blick von der Oberfläche ins Innere zu richten:
Weg von schnellen Lösungen („Mach halt Yoga“)
Hin zu echter Selbstwahrnehmung („Was spüre ich gerade in meinem Körper?“)
Es geht nicht darum, Symptome „wegzumachen“, sondern darum, Sicherheit zu finden. Erst wenn unser Nervensystem spürt: Ich bin im Hier und Jetzt sicher, können wir uns beruhigen.
Das ist Prävention im besten Sinn: Statt ständig im Stress- und Trauma-Kreislauf zu verharren, lernen wir, immer wieder kleine Inseln der Regulation zu schaffen.
Schutzreaktionen verstehen – ein Schlüssel für Alltag & Therapie
Viele Menschen wissen nicht, dass ihre Reaktionen Schutzstrategien sind. Vielleicht erkennst du dich in einer dieser Muster wieder:
Fight (Kampf): Reizbarkeit, innere Wut, Druck, alles kontrollieren wollen
Flight (Flucht): Getriebenheit, „immer in Bewegung“, keine Ruhe finden
Freeze (Erstarrung): Leere, Handlungsunfähigkeit, das Gefühl, abgeschnitten zu sein
Fawn (Anpassen): es allen recht machen, Konflikte vermeiden, eigene Bedürfnisse zurückstellen
Traumasensibel leben heißt: diese Muster nicht verurteilen, sondern verstehen. Denn sie waren einmal überlebenswichtig. Heute dürfen wir lernen, neue Wege zu gehen.
Ein kleiner Impuls für deinen Alltag
Vielleicht fragst du dich jetzt: Und was mache ich konkret, wenn Tipps nicht helfen?Hier eine kleine Übung, die du sofort ausprobieren kannst:
Orientierung im Raum
Schau dich um und benenne drei Dinge, die du gerade siehst.
Spüre deine Füße bewusst auf dem Boden.
Nimm einen Atemzug, so wie es sich für dich angenehm anfühlt.
Warum das hilft: Dein Nervensystem bekommt die Botschaft: Hier & Jetzt ist sicher.Es holt dich sanft aus der Alarm-Schleife zurück in die Gegenwart.
Fachliche Perspektive – für Begleiter:innen undn Fachkräfte
Wenn wir mit Familien, Müttern oder Kindern arbeiten, bedeutet traumasensibel leben:
Nicht auf schnelle Lösungen drängen.
Nervensystemreaktionen als Schutz anerkennen.
Sicherheit im Kontakt und im Körper ermöglichen.
Das braucht eine innere Haltung von Geduld, Verständnis und Selbstanbindung. Genau hier setzt meine Ausbildung zur traumasensiblen Familienbegleitung an: Wir lernen, das Nervensystem zu verstehen, traumasensibel zu kommunizieren und präventiv zu arbeiten.
Fazit: Tipps sind nur der Anfang
Tipps können hilfreich sein – aber sie greifen zu kurz, wenn unser Nervensystem im Alarm ist. Traumasensibel leben bedeutet, die Signale des Körpers ernst zu nehmen, Sicherheit aufzubauen und traumasensibel leben Trauma Alltag, Nervensystem verstehenneue Erfahrungen zu ermöglichen.
Das ist nicht nur Selbstfürsorge, sondern auch Prävention: für uns selbst, für unsere Kinder, für ganze Familien.
Möchtest du mehr darüber erfahren, wie du traumasensibel und präventiv leben kannst?
In meinem Newsletter bekommst du jeden Monat kleine praktische Impulse + Einblicke in meine Arbeit.
In meiner Praxis begleite ich Frauen und Mütter dabei, Sicherheit in sich zu finden.
Und ab Frühjahr startet meine Ausbildung zur traumasensiblen Familienbegleitung.
Kommentare